Innenstadt in Transformation
Es gibt Dinge, die scheinen unveränderlich zu sein. Zum Beispiel unsere Innenstädte. Während sich die Welt um sie herum gewandelt hat, schien in den Innenstädten alles beim Alten zu bleiben: Da drängten sich Menschen mit vollen Einkaufstüten, tranken Café, gingen ins Kino oder erledigten ihre Amtsgänge im Rathaus. Bis vor ein paar Monaten hätten sich die Wenigsten vorstellen können, dass es auch ganz anders sein kann. Aber dann mussten plötzlich die Geschäfte schließen, in den Fußgängerzonen waren keine Menschen und auf den Straßen kaum noch Autos. War die Corona-Krise nur ein vorübergehendes Ereignis, oder hat sie uns einen Vorgeschmack auf die Zukunft der Innenstadt gegeben?
Dass der Einzelhandel in den nächsten Jahren völlig aus der Innenstadt verschwindet und auf dem Hannovers Cityring keine PKWs mehr fahren, ist zwar unwahrscheinlich, doch die Innenstadt verändert sich – und das nicht erst seit Corona – Kaufhäuser schließen, individuelle Geschäfte werden von großen Ketten verdrängt. Und in den schlechteren Lagen mehren sich die Leerstände. Der Siegeszug des Onlinehandels fordert seinen Tribut – und auch der Klimawandel verlangt weitreichende Veränderungen: Flächen müssen entsiegelt und mehr Grünräume geschaffen werden. Außerdem bedarf es einer grundlegenden Korrektur unseres Mobilitätsverhaltens. Hannover, als einstiger Vorreiter einer autogerechten Stadt, ist prädestiniert dafür ein neues Kapitel der Mobilität zu schreiben.
Aber die anstehenden Veränderungen müssen mit Bedacht gestaltet werden, damit der Innenstadt nicht das wichtigste abhandenkommt, was sie uns zu bieten hat: Öffentlichkeit. In der Innenstadt können wir Bekannten und Fremden von Angesicht zu Angesicht begegnen. Menschen, die wir mögen, die wir interessant finden oder die uns immer ein Rätsel bleiben werden. Nirgendwo anders kann man unsere Gesellschaft so hautnah erleben und so gut den Respekt vor dem Anderen üben, wie in der Innenstadt.
Der Einzelhandel hatte einen großen Anteil daran, dass diese Form der Öffentlichkeit entstehen konnte, weil er den Menschen einen Grund gegeben hat, in die Innenstadt zu gehen. Doch das ändert sich, weil immer mehr Menschen ihre Besorgungen vom Sofa aus erledigen. Durch die Veränderungen im Einzelhandel und der Mobilität entstehen aber auch Freiräume für andere Nutzungen und Aktivitäten – und für eine andere Öffentlichkeit, die auf Teilhabe ausgerichtet ist und keinen Konsum voraussetzt.
Am Fachbereich Architektur der Leibniz Universität Hannover haben Studierende im Rahmen der Semesterprojekte "After the City" (Prof. Tim Rieniets), "Hannover Totale" (Prof. Hilde Léon) und "City Ring Update" (Prof. Andreas Quednau) sowie von Abschlussarbeiten (bei den genannten Lehrstühlen sowie bei Prof. Jörg Schröder) die bereits stattfindenden und die zukünftig notwendigen Veränderungen zum Ausgangspunkt genommen, um Ideen für die Zukunft von Hannovers Innenstadt zu entwickeln. Die Projekte sind in der Zeitung „Innenstadt in Transformation – Zukunftsszenarien für das Stadtzentrum von Hannover", ergänzt durch Interviews und Artikel, veröffentlicht. Sie zeigen, dass es sich lohnt, die Veränderung zu gestalten.
Anlässlich der Veröffentlich der Zeitung „Innenstadt in Transformation – Zukunftsszenarien für das Stadtzentrum von Hannover" findet am 19.07.2022 an der Fakultät für Architektur und Landschaft der Leibniz Universität Hannover eine Podiumsdiskussion mit dem gleichlautenden Titel statt. Die Veranstaltung ist eine Kooperation mit dem Bürgerbüro Stadtentwicklung e.V. Die Zeitung kann bereits jetzt beim Verlag Books People Places käuflich erworben werden.
Herausgeber*innen: Lennart Beckebanze, Ina-Marie Kapitola, Julia Streletzki, Hannes Hölscher
Graphikdesign: Lena Hegger, Victoria Knabe, Julie Frieß
Verlag: Books People Places
Erscheinungsjahr: 2022